Heiss sollte es werden, so hatte man es uns prophezeit und heiss wurde unser erster Tag in Italien dann auch – nicht nur, was die Quecksilbersaeule anging, sondern auch fliegerisch. Nach einer italienischen Nacht am gepflegten Platz des Aeroclub Piacenza, der uns so wohlwollend empfangen hatte, wurden die Piccolos schon früh am Morgen aufgerüstet und bepackt.
In der Auswahl der richtigen Gepäckstuecke zeigt sich der Meister, ist der kleine Gepäckraum im Piccolo doch schnell übervoll und dann ist kein Platz mehr für den Piloten. Auch die von Stefan Bals so nachdrücklich empfohlene Wasserration für den Flug haben wir beherzigt. Fliegen in Italien heisst mit der komplexen Luftraumstruktur zurecht zu kommen, fuer Uls damit bodennahes Fliegen und das auch in den Bergen. Somit war eine genaue Planung unerlässlich und die liess sich dann im Schatten eines Walnussbaums und bei frischem Kaffee gut realisieren.
Zum Start der beiden „Ausländer“ erschien der „Patron“ des Aeroclubs mit seiner reizenden viel jüngeren „Copilotin“. Ein Luftfahrtzeug mit 23 PS, mit dem man sowohl segeln als auch reisen kann, wollte man dann schon mal fliegen sehen. Der Start verlief trotz Höchstmasse und 32 Grad problemlos und auch die Wasserfontäne zur Bewässerung der Felder direkt in der Abflugschneise konnte sicher überquert werden. Scherzhaft hatten wir daran gedacht, vielleicht so doch noch etwas Abkuehlung zu finden. Piacenza liegt in der Kontrollzone des nahen Flughafens, fuer Ultraleichte hat man aber Sektoren eingerichtet. 500 Fuss Maximalflughoehe ueber ansteigendem Gelände, Höchstabfluggewicht und 32 Grad Aussentemperatur – da musste der kleine Motor zeigen was in ihm steckt.
Unweit südlich der Kontrollzone säumen zunächst sanfte Hügel die Flugstrecke, die sich dann aber schon bald zu hohen schroffen Felswänden aufbauen. Der Vergleich etwa mit den Oberstdorfer Alpen fiel mir spontan ein. An den Flanken der Berge konnte man schön Aufwinde nutzen, Abwindfelder mussten teils mit voller Motorleistung durchflogen werden – ohne die Maschine damit ins Steigen bringen zu können. Insofern ist Motorflug im Piccolo immer auch Segelflug. Vorbei ging es an mit Cumuluswolken umhuellten Bergspitzen, an Felswänden entlang und über Grate hinweg. Eine fordernde Erfahrung, hatte doch keiner von uns soetwas zuvor gemacht.
Nach ca. 1,5 Stunden waren die Abruzzen durchquert und wir mussten uns wieder an den Abstieg machen. Gewähltes Ziel des Fluges war Partello in der Toskana. Vor Jahren hatte der Besitzer des zum Hotel umgebauten Landsitzes die glorreiche Idee gehabt, einen Flugplatz seinem Hotel anzuschliessen. Viele Hotels in Italien, teils auch in der Kategorie „Ferien auf dem Bauernhof“, haben eigene Landepisten. Funk ist wohl keine Vorschrift und man landet mit den üblichen Positionsmeldungen. So auch in Partello, der Platz war komplett menschenleer, die im Internet beschriebenen Stearman Doppeldecker hinter Hallentoren verschlossen. Gerne hätten wir hiermit im offenen Cockpit einen Flug über die Toskana gemacht – schon um ein wenig abzukühlen. Diese Abkühlung fanden wir dann aber doch im Hotelpool – aüsserlich und natürlich auch innerlich beim „Landebier“.
Mehrere Nächte im Flugzeughänger zu schlafen ist problemlos möglich, vorausgesetzt Temperatur und Sanitäranlagen passen. Angenehmer ist jedoch die Nacht in dem im Stil reicher toskanischer Landsitze angelegten Hotelkomplex von Pratello zu verbringen. Den Abend zuvor sollte man dort bei hochwertiger italienischer Kueche in historischem Ambiente am besten in den Gärten geniessen, während um ein herum die Farben der toskanische Landschaft verschwimmen und jeden französischen Impressionisten zu einem Meisterwerk animiert hätten. In Dankbarkeit empfanden wir diesen Tag, ueber die Schoenheit des erlebten Fluges und ueber das Privileg ueberhaupt fliegen zu koennen nachsinnierend als sich das Gespräch wieder der zu erwartenden Hitze des kommenden Tages zuwandte. Eigentlich, ja eigentlich war das doch gut zu ertragen und irgendwie kann man die Waerme ja auch geniessen, in etwa so wie die Eidechsen neben uns auf den noch vom Tag erwaermten Gemäuern oder – vielleicht doch besser im Pool?